Ich war mir unsicher, ob ich hocaboo nach einem Interview fragen sollte. So viel wurde in den letzten Wochen schon über das Startup geschrieben. Jetzt, einen Tag nach dem Treffen mit Garry Levin, CEO und Felix Mischke, CCO von hocaboo bin ich froh, das Gespräch geführt zu haben.
Das Produkt ist cool, die beiden versprühen Energie ohne Ende und deren Pläne sind faszinierend.
Grischa: Jungs, erzählt mal! Wie ging das los mit hocaboo?
Garry: Ich komme aus der Hotellerie. Bin dort zunächst den klassischen Weg gegangen und letztlich als Personalberater bei Michael Page gelandet. Mein Aufgabenfeld war Engineering – also nichts mit Hotel Bezug. Eines Tages aber kam mein Chef mit einem Gesuch von einem großen 5 Sterne Hotel auf mich zu. Die brauchten einen Executive Housekeeper. „Du kennst dich doch aus in dem Bereich. Mach mal!“, hat er zu mir gesagt. Auf der Suche nach dem Executive Housekeeper hab ich dann auf einmal gemerkt, dass ich die Menschen, mit denen ich in dem Zusammenhang zu tun hatte, verstand. Deren Probleme konnte ich nachvollziehen. Das war bekanntes Terrain, anders als bei den Ingenieuren. Tatsächlich habe ich bei Michael Page auch 2 oder 3 mal angeboten, die Hotelbranche dort als festes Business zu etablieren. Man wollte das aber nicht.
Felix: Und dann haben wir dich dort rausgeholt! (lacht)
Grischa: Das heißt, ihr seid schon lange befreundet?
Felix: Wir kennen uns schon seit 2004. Da waren wir in der 11.ten Klasse.
Garry: Freunde unterstützen einen in solchen Entscheidungen meist. Mit der LHC International habe ich mich dann letztlich selbstständig gemacht und sukzessive eine klassische Personalberatung in der Hotellerie etabliert. Wir betreuen nicht nur Hotels in der DACH Region, sondern sind auch – wie der Name schon sagt – international unterwegs. Wir vermitteln Führungskräfte an internationale Ketten aber auch an mittelständische Unternehmen. Hoteldirektoren, Director of Food and Beverage, Sales and Marketing, Rooms Division, dass sind so die Positionen mit denen sich das Unternehmen beschäftigt. Wir sind stets gewachsen, woran auch meine Geschäftspartnerin, Gisela Willmes, einen großen Anteil hat.
Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass immer mehr Anfragen für Mitarbeiter kommen, die man in der Hierarchie weiter unten findet – z.B. Chef de Rangs oder auch Köche. Als normale Personalberatung kann man solche Positionen nur schwer abdecken, da die Marge bei der Vermittlung betriebswirtschaftlich einfach zu dünn ist.
Dann kam eins zum anderen.
Felix hat in der Phase immer bei mir nachgefragt wie es bei der LHC International läuft und wir haben uns gemeinsam die Frage gestellt, wie man eine Personalberatung automatisieren kann. Dabei sind wir auf vier Faktoren gestoßen:
- Die Digitalisierung einer Personalberatung.
In den vergangen Jahren ist die Bedeutung von tech-basierten Lösungen in allen Arbeitsbereichen voran geschritten. Beim Thema Personal hat es leider nicht wirklich große Veränderungen gegeben. - Das Thema Gamifikation.
Sprich, wie kann man das ganze Thema Bewerbung so aufsetzen, dass es nicht mehr zum langweiligsten Teil einer Karriereplanung wird und es sich nicht wie eine Bewerbung anfühlt? Man bewirbt sich irgendwo, geht in das Erstgespräch und merkt, dass es eigentlich gar nicht passt. Das ist Zeitverschwendung auf beiden Seiten. Wie kann man networken, connecten? - Das Ende der klassischen Stellenanzeigen.
Schau dir an, wie Stellenanzeigenportale à la Monster und Stepstone funktionieren. Die haben Key Account Manger bei sich sitzen, die Unternehmen anrufen, um Stellenanzeigen zu verkaufen. Diese Unternehmen veröffentlichen dann ihre Stellenanzeigen und hoffen dann 4 Wochen lang, dass sich jemand auf die Inserate meldet. Wir nennen das „Post and Pray“, also Stellenanzeige einstellen und beten, dass sich jemand meldet. In der Zwischenzeit ist beim Unternehmen der Personalbedarf relativ dringend. Die Frage war also, wie wir Unternehmen ein Tool an die Hand geben können, mit dem sie proaktiv auf Kandidaten zugreifen können. - Die Internationalität der Branche.
Keine Branche ist so international wie die Hotellerie. Wenn ich heute in Berlin bin und einen Job in Asien machen will, wie suche ich mir Jobs heraus? Ich muss auf die Stellenbörsen gehen, die lokal dort agieren. Dann gehe ich wahrscheinlich auf booking.com, um mich über den Hotelmarkt zu informieren. Anschließend auf die einzelnen Karriereportale der Hotels und wenn ich Glück habe, finde ich was. Warum gibt es in einer so internationalen Branche nicht eine einzige Plattform, die weltweit die gesamte Hotellerie zusammenbringt?
Felix: Ich glaub, das hat auch damit zu tun, wie das bei dir lief, Garry. Du hattest damals mit LHC International erst vor, nur der Berliner Markt abzudecken, dann war es Deutschland und wenig später die DACH Region. Kurz darauf sprachen wir über Kunden in der ganzen Welt. Ich finde das auch nur konsequent, weil die Branche international ist.
Garry: Es gibt viel Negatives, was man über die Branche sagt. Lange Arbeitszeiten, niedrige Gehälter. Aber das Grandiose, der USP der sonst keiner hat, ist der, dass man überall auf der Welt arbeiten kann. Das betonen die Wenigsten!
Grischa: Da gibt es ja auch Diskussionen, ob die Menschen das heutzutage überhaupt noch wollen. Aber ich bin bei dir. Wir dürfen uns das nicht kaputt reden und den Vorteil nicht wegnehmen lassen.
Felix: Die Hälfte der Arbeitskräfte in der Branche sind unter 35 Jahren alt. Das ist das Alter wo man ja tendenziell auch bereit ist, zu reisen. Später kommt dann eventuell eine Familie, aber davor hat man vielleicht Lust nach Asien oder anderswo zu gehen. Das wollen wir forcieren. Entweder die Leute nach Deutschland bringen, wo der Markt leergefegt ist, oder aber anders herum von Deutschland in andere Länder vermitteln. Diesen Prozess wollen wir mit hocaboo vereinfachen.
Ein Commis macht in Asien ja das Gleiche, was er hier macht. Letztendlich sind auch die Hierarchien und die Departments sehr ähnlich. Das kannst du standardisieren. Dennoch war es komplex festzulegen, wie wir unsere Taxonomien für die hocaboo App bauen wollen. Das waren Excel Tabellen ohne Ende.
Garry: Im Zuge der Digitalisierung ändern sich zwar viele Sachen. Du kannst Zimmertüren ohne Schlüssel öffnen, im Bereich Revenue Management und Reservierung tut sich einiges. Was aber seit Jahrzehnten gleich geblieben ist, ist der Prozess des Recruitings. Und den wollen wir neu gestalten. Zumindest versuchen wir eine alternative Lösung zu bieten. Perfekt sind wir sicher nicht.
Grischa: Die Erfahrung habe ich auch gemacht in den Gesprächen mit Startups. Es muss nicht das Allheilmittel sein, was erfunden wird. Es muss nicht perfekt sein. Das Produkt wird im Laufe der Zeit ja auch weiterentwickelt. Erzähl doch noch mal von den allerersten Wochen bei hocaboo. Die Idee war da, aber wie viel Wochen oder Monate habt ihr gebraucht, um ein Produkt zu präsentieren?
Garry: Wir sind schnell zu einem guten Freund von Felix gegangen, der ein mathematischer Spieltheoretiker und nun unser CTO ist (lacht).
Felix: Julius hat schon für einige große Unternehmen gearbeitet und viele spannende Dinge gebaut.
Garry: Als wir unsere Idee bei Julius vorgestellt haben, hat er gesagt: „Ja, das kann man machen, kostet euch….“ Dann kam ein Betrag, der uns ziemlich demoralisiert hat!
Felix: Wir sind dann mit hängenden Köpfen in die nächste Bar gegangen. (lacht)
Garry: Wir sind ein paar Monate mit der Idee schwanger gegangen und haben dann in der Welt einen Artikel über eine Recruiting App gelesen. Der Artikel handelte von truffls, dass war im Dezember 2014.
Felix: In dem Artikel ging es u.a. um die millionenschwere Finanzierungsrunde von truffls. Ich erinnere mich an den Moment, der auch gut zeigt wie unterschiedlich Garry und ich sind. Ich habe in dem Moment gedacht: „Scheiße!“ und Garry: „Geil!“.
Grischa: Weil die Idee die gleiche war, wie bei euch?
Felix: Ja, genau. Es zeigte aber auch, das die Leute Geld für solche Ideen geben, deswegen hat es Garry so gefreut. Wir haben uns dann gesagt, das Geld treiben wir selber auf – eine A-Series Finanzierung stellen wir schon auf die Beine. Wir waren ziemlich übermütig und haben gedacht, dass wir das besser können.
Garry: Wir sind ziemliches Risiko gegangen und haben für unsere Verhältnisse sehr viel Geld investiert. Durch meine Personalberatung haben wir dann den Kontakt zu Thomas unserem COO bekommen, der für uns das Business Development verantwortet. Er ist langjähriger Hotelier und hat lange für Ritz-Carlton gearbeitet hat. Er wollte wieder nach Berlin kommen und wir haben uns ausgetauscht. Wir wussten auch, wenn wir als 27-jährige Jungs allen erzählen wollen wie Recruiting funktioniert, würde das vielleicht unglaubwürdig wirken. Mit Thomas, der die Operative kennt, war das eine andere Geschichte. Wir haben dann mehrfach über die Grundidee geskyped und gemeinsam mit Julius gesagt. „Wir machen es. Lass uns anfangen mit der Marke.“ Im März 2015 haben wir die Marke konzipiert, zusammen mit einem Click Dummy.
Grischa: Was ist das?
Felix: Das ist eine primitive Visualisierung der App. Es gibt keine ausgearbeiteten Designs. Man kann sich das Ganze zwar auf dem Smart Phone anschauen und auch durchswipen aber mehr auch nicht. Die ganze Ausarbeitung des Produkts kam später und hat uns einige Monate gekostet. Ganz ehrlich, wir waren auch überrascht, wie tief man da gehen muss, um das technisch vernünftig umzusetzen. Wir bauen ja nicht nur eine App sondern auch eine Plattform für Hotels. Die selbe Arbeit um eine richtig gute App zu konzipieren, müssen wir aufbringen, um eine richtig gute Web App für die Hotels zu entwickeln. Die Hotels sehen ein komplett anderes Interface, dahinterliegend noch die API, die beide noch miteinander verbindet.
Garry: Das ganze Thema Produkt kam nach dem Dummy. Der Dummy diente dazu, die Idee zu präsentieren und damit sind wir dann raus gegangen, um Investoren zu suchen. Sehr schnell haben wir uns mit einer Hamburger Firma getroffen, die uns auch Geld gegeben hätte, was uns total baff gemacht hat.
Grischa: War das ein klassischer Investor oder wie muss ich mir die Hamburger Firma vorstellen?
Garry: Nein ein klassischer Investor war das nicht. Das waren zwei langjährige Freunde, die beide gut laufende Firmen haben. Wir haben 3 Stunden mit denen gesprochen und am Ende wurde Interesse signalisiert, jedoch sollten wir noch einmal genau ausarbeiten, wie wir den Markt bearbeiten wollen.
Grischa: Und was war euer Angebot für die Investition in eure Firma?
Garry: Anteile. Wir reden über 25,1%, was uns zum damaligen Zeitpunkt zu viel war. Es war ja auch unser erster Gesprächspartner und man sagt ja immer, wenn es beim Ersten nicht klappt, wird’s beim Zweiten besser. (lacht) Das war im Mai 2015.
Felix: Nach diesem positiven Gespräch haben wir uns entschlossen, die Offer abzulehnen und selber zu finanzieren. Wir hatten beide ein bisschen was gespart.
Garry: Das hat aber nicht gereicht. Aus unseren damaligen laufenden Geschäften, haben wir jeden Monat jeden Cent in hocaboo gesteckt. Das war volles Risiko und eine hohe Belastung – die es immer noch ist. Das war es uns aber wert.
Mit Julius haben wir während der Entwicklungsphase dann permanent zusammengearbeitet und uns abgestimmt. Es ist unglaublich, an wie viel man denken muss, um das Ganze super simpel zu halten. Wir müssen zwei Arten von Menschen abholen. Die Alteingesessenen, die das noch machen wie vor 20 Jahren. Und die geistig Jungen, die Lust haben, Neues auszuprobieren. Das war – und ist noch immer – sehr spannend.
Dann haben wir zur ITB 2016, die App gelaunched und angefangen mit Investoren zu sprechen. Eigentlich war das Produkt ja „fertig“. Den ersten Investor haben wir im April und dann einen weiteren im Juni dazu geholt. Weiter geht es mit einer Finanzierungsrunde, die Anfang nächsten Jahres stattfinden soll.
Grischa: Ich versteh das nicht so richtig mit den Investoren, A- Series usw.?
Felix: Generell ist es ja so, dass Banken bei Risikokapital ganz vorsichtig sind. Du hast zwar eine gute Rendite aber auch viele Ausfälle. Einige Banken sind in dem Bereich aktiv, wie die IBB oder die KFW beispielsweise aber die fahren Modelle, die für uns nicht so interessant sind. Somit sind die Banken eigentlich raus. Wir haben uns immer an klassische Venture Capital Firmen gerichtet.
Garry: Ein weiterer Grund, warum wir nicht zur Bank gegangen sind war, dass wir „Smart Money“ brauchten. Das heißt Kontakte, Netzwerk, jemand der uns nach vor treiben kann. Wir brauchten Geschäftsleute, die uns bekannt machen können, die Türen für uns öffnen können. Und die haben wir auch gefunden. Menschen, die Investoren, gleichzeitig aber auch Sparringspartner sind, die uns challengen, mit denen man sich über das Produkt austauschen kann.
Felix: Für uns kamen die großen Learnings durch Gespräche mit gestandenen Business Leuten, die wir meist als Investoren gewinnen wollten. Leute, die so viel mehr Know How haben als wir, die so gute Fragen stellen, die wir dann auch nicht immer beantworten können, aber die wichtig sind.
Garry: Das Interessante an einem Startup, und da lernen wir gerade alle innerhalb unseres 12-köpfigen Teams (4 Gründer, 2 Werkstudenten, 6 feste Mitarbeiter) dazu ist, dass das Produkt nie fertig ist. Das Grundgerüst steht und das Konzept funktioniert. Aber was ist ein Startup? Es ist eine Reihe von Hypothesen, die man erst einmal auf dem Markt bringen muss, um sie auszutesten. Was von dem Ganzen funktioniert und was nicht? Wo müssen wir besser werden, was müssen wir komplett abstoßen?
Felix: Wir versuchen sehr eng an den Hotels zu sein. Das ist ein ganz zentraler Punkt bei uns. Wir sitzen hier und denken uns etwas aus, von dem wir denken, dass es funktioniert. Und dann sprechen wir mit den Hotels und es kommen Fragen wie: „Kann man nicht integrieren, ob die Leute eine Arbeitsgenehmigung haben?“ Dinge, wo wir uns vorher überhaupt keine Gedanken drüber gemacht haben. Und das ist so wichtig und deswegen haben wir auch HR Roundtables. Was fehlt euch? Welche Features sind gut, an welchen muss gearbeitet werden? Solche Sachen werden da gemeinsam mit unseren Hotels erarbeitet.
Grischa: Darf ich eine etwas provokante Frage stellen? Wir haben zu wenig Menschen, die in der Hotellerie arbeiten wollen. Da setzt ihr aber nicht an. Ihr motiviert ja nicht dazu in die Hotellerie zu gehen, sondern matcht die Vorhandenen mit den Hotels, die händeringend Mitarbeiter suchen.
Garry: Das hören wir öfter, dass wir das eigentliche Problem nicht lösen. Wenn wir eine Lösung hätten, wie wir junge Leute in die Hotellerie bringen können, dann würden wir dieses Gespräch nicht hier sondern in der Dominikanischen Republik führen.
Felix: Wie können wir es schaffen, Menschen generell für die Hotellerie zu begeistern? Das ist eine Aufgabe, an der jeder, der in der Hotellerie tätig ist, mitarbeiten muss. Da tust du deinen Teil mit deinem Blog und wir tun das z.B. in dem wir auf Facebook gezielt junge Leute ansprechen nach dem Motto: Facebook, zeig mir die 15 bis 20 Jährigen, die noch nicht wissen, was sie machen wollen, damit ich die zum Beispiel mit einer Anzeige targeten kann. „Arbeitete da, wo andere Urlaub machen“, war beispielsweise eine Kampagne, die wir gemacht haben.
Garry: Wir leisten da große Anstrengungen! Wir gehen nicht nur die bestehenden Kandidaten an, sondern auch die Leute an, die gerade in der Berufsschule sind oder vor einer Entscheidung stehen, eine Ausbildung zu machen. Die versuchen wir gezielt über Soziale Medien abzufangen. Wir arbeiten auch mit Hotelfachschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, in denen wir kommunizieren, dass wir ein Tool haben, was Bewerber nutzen können, um Jobs in der Hotellerie zu finden. Oder wir bieten an, an den Hotelfachschulen einen Vortrag über Startups zu halten, einfach weil es im Moment auch ganz viele Leute interessiert.
Felix: Wenn man darüber spricht, was die schönen Seiten an der Hotellerie sind, dann ist es nicht nur die Internationalität sondern auch, dass es ein People’s Business ist. Die Branche sollte sich aus meiner Sicht kritisch hinterfragen, ob das klassische Recruiting, und damit meine ich nicht nur den Prozess sondern auch die Lebensläufe, die dahinter stecken, neue Impulse braucht. Ich glaube es gibt beispielsweise ein großes Potential, was das Thema Quereinsteiger oder Menschen angeht, die weniger Fachkenntnisse als vielmehr Persönlichkeit einbringen. Das ist eine Dimension, an der wir u.a. arbeiten. Wir wollen mit Hocaboo auch Menschen erreichen, deren Stärke in der Interaktion liegt, die Gastgeberqualitäten haben. Was viele Menschen zu AirBnB getrieben hat, die vorher in Hotels übernachtet haben, war das Persönliche, die Interaktion mit dem Host. Ich finde es gut, dass mehr und mehr Hotels zu ihren Wurzeln zurück finden und dem Gastgebertum Raum geben. Wir wollen das Thema aufgreifen.
Garry: Bei hocaboo ist es so, dass der User die App hat und das Hotel die Desktop Application. Es wird erst gezahlt, wenn sich ein Match ergibt. Und zwar zahlt das Hotel 1€ per Match. Ich bekomme als Bewerber Jobs bzw. als Hotel Kandidaten vorgeschlagen, die ich nach links oder rechts swipen kann. Wenn ich einen Job interessant finde, swipe ich nach rechts, das Hotel kann es sehen und bestätigt zurück. In dem Fall einsteht ein Match.
Genau das Gleiche kann aber auch anders herum funktionieren. Ich bin ein Hotel und sehe ein interessantes anonymes Profil von einem Kandidaten, der Kandidat bekommt eine Push Nachricht z.B. „Hotel XY interessiert sich für dich als Restaurant Supervisor“, Kandidat bestätigt zurück, weil ihm das Angebot gefällt und es entsteht auch hier ein Match. Es ist immer anonym bis zu dem Zeitpunkt, wo sich beide matchen. Ist das der Fall, erhält das Hotel den Zugang auf das volle Profil des Kandidaten.
Grischa: Das heißt, das Hotel bezahlt den Euro in dem Fall, wo es sich mit dem Bewerber bekannt macht. Ob das in einem Arbeitsverhältnis endet, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Garry: Genau. Wir connecten die Leute. Aber wir sorgen dafür, dass jemand nicht wie bei Steptone oder ähnlichen Portalen 1200 € für eine Anzeige zahlt, sondern dass er oder sie sich in dem Fall mit 1200 Kandidaten vernetzen kann. Dieses Preismodell werden wir nächstes Jahr ein wenig modifizieren, es wird aber immer ab 1€ sein.
Was wir noch einführen, ist das gesamte Thema 1. Eindruck. Der Kandidat wird die Möglichkeit haben, ein kurzes Video von sich aufzunehmen von 30 Sekunden. Wenn das Unternehmen einen Kandidaten matcht, wofür sie dann einen noch nicht definierten Betrag zahlen, kann das Hotel den gesamten CV vom Kandidaten herunterladen. Über das Video kann man sich dann zusätzlich einen guten 1. Eindruck über den Kandidaten verschaffen.
Felix: Das Thema Personality war mir wichtig aufzunehmen. Über den „kalten Algorithmus“ geht das nicht, deswegen nehmen wir die Videos. Wir wollen den Personalern aber auch dem Bewerber damit ein zusätzliches Tool zur Verfügung stellen. Auch wenn der Lebenslauf vielleicht nicht so rund aussieht, ist die Wirkung eines Bewerbers auf Gäste vielleicht überzeugend.
Garry: Warum machen wir das? Das Thema Lebenslauf ist generell nicht wirklich aussagekräftig, dass kann ich als Personalberater mit einigen Jahren Berufserfahrung sagen. Das Thema Know How ist teilweise nicht der entscheidende Faktor und viele – auch Traditionshotels – haben das erkannt. Schau dir unser Portfolio auf hocaboo an: Ein Seehotel Überfahrt, ein Adlon, ein Mandarin Oriental London oder das Beau Rivage in Genf. Das sind Traditionshäuser und deren Personalleiter sagen, wir wollen etwas Neues ausprobieren. Und wenn das bei denen schon der Fall ist, dann bekommen wir andere Häuser, die vielleicht proaktiv solche Änderungen machen möchten und ein bisschen Innovation reinbringen möchten, auch.
Unserem Wunsch nach, sind idealerweise wir es, die wachrütteln im Bereich Recruiting. Wir wollen auch Marktführer werden, nicht nur was das Matching betrifft. Es kommen zahlreiche andere Features hinzu, an die wir denken, wie z.B. Interaktion während Bewerbungsprozessen. Es gibt bisher einige wenige Plattformen, die den Recruiting Prozess von sehr früh bis ganz spät begleiten. Da wollen wir hin. Nicht nur Matching sondern auch Talent Acquisition. Lebensläufe einscannen, Videokommunikation, Interviews innerhalb der Web Apps führen oder auch den Interviewprozess innerhalb des Hotels weiterleiten, so dass nicht nur der Personalchef oder der Direktor, auch Abteilungsleiter mit dem Bewerber sprechen können. Der Abteilungsleiter tippt dann seine Notizen ein und schickt die Bewerbung wieder zurück in an die Personalleitung.
Also, es geht deutlich weiter. Was unser Wunsch ist, dass wir die ersten sind, die das dem Markt anbieten. Wenn nicht, dann sind wir zumindest an der Veränderung des gesamten Recruitings beteiligt gewesen und haben an einer positiven Veränderung der Branche mitgewirkt. Einige sagen „Seid ihr nicht noch zu früh?“. Ich sage dann nein, es ist höchste Zeit!
Grischa: Ich sehe da auch viele Möglichkeiten, wie Hotels für sich werben können. Image Videos von sich auf der Plattform einstellen können, uvm.
Felix: Über das Thema Employer Branding, was auch spät in die Branche gekommen ist, wollen wir auch ein verlängerter Arm der Hotels werden, um deren Messages auch gezielt weiterzureichen. Das wird auch ein Teil dieses ganzen Paketes sein. Das heißt, die Eigenwerbung, wenn du es so nennen möchtest, wird über den Kanal hocaboo transportiert.
Garry: Und jetzt nimm nochmal das Thema IT und unseren Gedanken von vorhin mit dem fertigen Produkt dazu. Wir haben zur ITB gedacht, die Plattform ist fertig und wir können rausgehen und verkaufen. So leicht ist das aber nicht. Wir haben in dem ganzen Prozess gelernt, dass wir ein Tech Unternehmen sind. IT ist unsere wichtigste Abteilung.
Felix: Wichtiger Punkt. Vieles fühlt sich wie einem Hospitality Unternehmen an. Tech, wovon wir beide wenig Ahnung haben, spielt aber eine große Rolle. Für uns beide geht es darum ein Gespür für die Branche entwickeln und Fragen zu stellen: Was könnte sinnvoll sein? Was könnte funktionieren? Und ich glaube, so sehen wir uns auch. Wir sind in einer Mittlerrolle. Auf der einen Seite Tech und die neuen Technologien und auf der anderen Seite Hotellerie. Wir versuchen lediglich beide Seiten zum reden zu bringen.
Garry: Noch ein Ansatzpunkt für die Zukunft: Das Konzept von hocaboo muss sich ja nicht nur auf die Hotellerie beschränken.
Garry, Felix, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg weiterhin.
Credits: Fotos von Hocaboo mit freundlicher Genehmigung.