„Mit 14 Jahren kam ich allein am Bahnhof in Berlin an. Seitdem habe ich 22 Restaurants eröffnet“ – Pasquale Desiata, Betreiber der Trattoria Toscana in Teltow, über seine bewegende Gastronomie-Karriere.
By Grischa
Kaum einer erfüllt das Klischee des Italieners besser als Pasquale Desiata. Genießer guter Weine, Entertainer, Hobby-Sänger, Koch mit Herz und Sachverstand, Menschenliebhaber. Ein Vollblutgastronom, der sich seinen Status von Grund auf selbst erarbeitet hat, nicht müde wird, für seine Gäste täglich alles zu geben und mit weiteren Läden in Berlin expandieren will.Ich treffe Pasquale in seiner Trattoria, in der ich selbst mit meiner Familie gern essen gehe. Es ist ein Dienstagvormittag, ein seltener Zeitpunkt, an dem Pasquale's Laden gerade mal nicht voll ist.
Pasquale, danke für deine Zeit.
Wie war das damals mit 14 allein in Deutschland?
Ich bin damals nach Berlin gekommen und habe am gleichen Tag angefangen zu arbeiten. Zunächst als Tellerwäscher. Der Grund war, dass mein Vater gestorben, ich mit meiner Mutter und meinen 8 Geschwistern allein in Italien war und wir Geld brauchten. Mein Vater hatte kurz vor seinem Tod noch das Haus für umgerechnet 250.000 DM renoviert. Und diese Schulden mussten bezahlt werden. Ich war der zweitjüngste unter uns Kindern. Meine älteren Geschwister haben alle studiert. Die Wahl fiel einerseits automatisch auf mich, andererseits habe ich mich damals schon verpflichtet gefühlt, für die Familie zu sorgen. Wir haben in den Abruzzen gelebt und ich kann mich gut an Tage erinnern, wo wir nichts zu essen hatten und uns der Strom abgestellt wurde, weil wir unsere Rechnung nicht zahlen konnten.
Dafür, dass ich dann 1980 allein nach Berlin durfte, musste meine Mutter unterschreiben. Ich hatte zwar die Pflichtschule in Italien beendet, trotzdem brauchte ich das offizielle Einverständnis meiner Erziehungsberechtigten. Meine Mutter wollte mich damals natürlich nicht ziehen lassen. Es war für sie herzzerreißend. Ursprünglich hatten wir geplant, dass ich 3-4 Jahre im Ausland bleibe. Nun sind 34 Jahre daraus geworden.
Und dann?
Tellerwäscher, Pizzabäcker, Beikoch, Koch, das waren in den ersten Jahren meine Stationen. Da habe ich fachlich viel gelernt aber die Sprache vernachlässigt. Deswegen habe ich mich dann für die Bar beworben. Da gab es zwar weniger Geld aber ich konnte mit Gästen sprechen und so die deutsche Sprache lernen. Mein erstes Restaurant war damals das La Mandria in der Turmstraße in Moabit, das gibt es heute noch.
Von den 2200 DM, die ich verdient habe, habe ich 300-400 DM für mich gelassen, den Rest habe ich nach Hause geschickt.
Ein paar Tage nachdem ich 18 Jahre alt wurde, habe ich dann mein erstes Lokal eröffnet.
Das war in der Pallasstraße in Schöneberg. Gegenüber war eine große Schule und die AOK, so dass wir gutes Mittagsgeschäft hatten. Und schon damals habe ich die Gelegenheit bekommen, den Laden zu kaufen, was ich dann auch gemacht habe.
Den Kredit dafür, habe ich recht einfach bekommen, weil ich regelmäßige Einkünfte vorweisen konnte. Ich musste jedoch eine Lebensversicherung bei der Bank abschließen, die immer noch läuft. Heute Geld von der Bank für ein Lokal zu bekommen, ist ungleich schwerer.
Welches Konzept hatte dein erstes Restaurant?
Das war ziemlich simpel. Wir haben viel kopiert, geschaut, was die anderen machen und was gut ankommt. Aber- es lief schon damals sehr gut.
Warum?
Ein Geheimnis gibt es da nicht. Dazu beigetragen hat auf jeden Fall, dass ich immer „geradeaus gegangen“ bin. Das musste ich allein schon aus meiner Familiensituation heraus. Ich war wie gesagt ohne Eltern. Wenn ich da nicht geradeaus gegangen wäre, wäre ich sprichwörtlich auf die falsche Spur geraten, und das wollte ich nicht.
Zweitens habe ich immer viel Einsatz gezeigt und meine Stärke, die Freundlichkeit, ausgespielt.
Ich habe beispielsweise beim Bedienen immer gesungen. Ich habe das gemacht, um mir selber die Freude an der Arbeit zu erhalten aber auch, um meine Gäste glücklich zu machen. Das wurde durch gutes Trinkgeld belohnt.
Heute versuche ich diese Gästeorientierung meinen Mitarbeitern beizubringen. Wir sitzen regelmäßig zusammen und dann wird über ganz einfache aber wichtige Dinge gesprochen. Lächeln zum Beispiel, wie man auf Fragen der Gäste antwortet, wie man sich verhält, wenn der Gast einen an den Tisch ruft, usw.
Was mir heute auch noch zu Gute kommt ist, dass ich Koch und Kellner gelernt habe. Ich verstehe das Zusammenspiel der Abteilungen, kenne die Bedürfnisse. So kann mir keiner etwas vormachen.
Und wie ging es dann weiter?
Mit 21 hatte ich dann drei Restaurants in der Zeit aber auch ein Geschäftsmodell entdeckt, was ich heute noch verfolge. Ich habe gebaut und verkauft und dann wieder gebaut und verkauft. Ich habe die Läden in schlechtem Zustand günstig übernommen, sie mit viel Einsatz „hoch gebracht“, um sie dann gut positioniert mit Gewinn zu verkaufen. Das „Aufbauen“ der Läden hat meist 3-6 Monate gedauert und dann standen auch schon die Käufer da. Ich habe mir damit auf dem Berliner Markt einen guten Namen erarbeitet, das gehört dazu. Bis heute habe ich das so mit 22 Läden gemacht.
Der Erfolg war immer da. Der richtige Durchbruch kam aber mit meinem „Toskana“-Konzept, dem ich im Übrigen bis heute treu geblieben bin. Es ging los mit der Villa Toskana, einem Restaurant mit 200 Plätzen am Lichtenrader Damm, was ich zu Wendezeiten eröffnet habe. Samstags, sonntags war das Restaurant immer voll, obwohl ich nie Werbung gemacht habe. Es lief nur über positive Mund-zu-Mund Propaganda.
Heute mache ich immer noch wenig Werbung. Teltow ist der erste Laden, für den ich Flyer habe drucken lassen, weil wir ein bisschen „ab vom Schuss“ sind und es anfangs etwas zäh war.
Ich bin der Meinung, dass wenn deine Qualität stimmt, du dein Marketing Budget gering halten kannst. Positive Mund-zu-Mund Propaganda ist das beste und effektivste, was dir als Gastronom passieren kann. Mein eben angesprochenes „Toskana“-Konzept sieht genau diese hohe Qualität vor:
Wir haben den Weltmeister der Pizzabäcker bei uns
Wir haben eine erstklassige Teigmischung mit Sojamehl/ Maismehl/ Cerealien
Die Hefe, die wir nutzen, ist Top-Qualität
Proscuitto, Salami, alle Zutaten sind aus Italien
So eine Pizza ist leicht und bekömmlich und kein Kloß, der dir lange im Magen liegt.
Ich kaufe meine Produkte direkt bei den Herstellern in Italien. Das garantiert mir Qualität, Frische und auch günstige Einkaufspreise.
Wo ich noch dran arbeiten muss ist, diese hohe Qualität und auch die Einzigartigkeit meiner Produkte meinen Gästen besser zu kommunizieren. Auf meiner to-do Liste steht zum Beispiel, dass ich das Mehl auch optisch in Szene setze oder mehr Informationen über den Parmaschinken auf die Karte schreibe. Und ich muss meine Kalkulation überdenken. Gute Qualität muss auch ihren Preis haben.
Wie seid ihr intern strukturiert?
Ich entscheide viel allein. Ich habe keinen Partner, will auch keinen, weil es bisher auch immer so gut geklappt hat. Ich habe meinen eigenen Charakter und will mich nicht verbiegen. Ich habe zwei vertraute Personen in der Operations, die mich vertreten können und Augen und Ohren dort haben, wo ich nicht bin. Mein Buchhalter und mein Steuerberater helfen mir bei den Finanzen aber um Inneneinrichtung, Technik oder Personal kümmere ich mich neben meinen Gastgeberaufgaben selbst. Ich habe sogar den Pizzaofen selber gemauert und die Fliesen gelegt. Grundsätzlich ist der Umgangston bei uns sehr locker. In unserem Team sind 38 Mitarbeiter, die alle per du sind.
Neue Mitarbeiter versuche ich durch Empfehlung zu bekommen. Es ist aber zunehmend schwerer gute Leute zu bekommen. Damit überhaupt jemand hier nach Teltow herauskommt, bieten wir z.B. abends einen kostenlosen Shuttleservice an. Dann habe ich im Obergeschoß dieses Hauses noch 680 ungenutzte Quadratmeter, die ich zu Personalwohnungen ausbauen will. Das könnte ein weiteres Verkaufsargument werden, um Mitarbeiter für mich zu gewinnen.
Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei dir aus?
Ich stehe um halb 6 auf. Dann gehe ich 8-10km am Teltowkanal oder in Kleinmachnow laufen. 3x die Woche mache ich Kickboxen und dann geht es hier los, meistens um 8 bis 15 Uhr. Dann eine kurze Pause, duschen, dann wieder zurück und bis 23 Uhr im Laden.
Wie willst du weitermachen?
Ich plane in Grunewald und Zehlendorf 2 Läden, die ich auch wieder mit meinem Toskana- Konzept aufziehen will. Zwar habe ich dort ganz andere Kundschaft als in Teltow, sprich Anwälte, Juweliere, Geschäftsleute, aber auch die lieben hochwertige Küche in bodenständig italienischem Ambiente. Es muss kein Schicki Micki sein- im Gegenteil. Menschen möchten sich beim Essen wohl fühlen und das geht mindestens genauso gut mit Papierservietten und karierten Tischdecken wie mit hochwertiger Tischwäsche.
Lass uns noch ein wenig über die Gerichte reden, die du deinen Gästen anbietest. Was läuft bei dir gut oder was planst du Neues auf die Karte zu bringen?
Ich begeistere mich zur Zeit für gereiftes Fleisch. Zum Beispiel ein 45 Tage gereiftes Kalbskotelett, schön marmoriert, 6-8 cm dick, was ich dann am Tisch tranchiere und auf einem Lavastein serviere.
Dazu gibt eine tolle Sauce, die ich mir ausgedacht habe, geil.
Oder T-Bone Steak. Es ist Schwachsinn, dass das aus Argentinien kommen muss. Ich arbeite seit Jahren mit irischem Fleisch. Vom Geschmack ist das noch intensiver als das argentinische. Das lege ich mir bei 1 Grad in den Kühlschrank für 40-60 Tage. Dazu habe ich mir eine Säge geholt, mit der ich das sauber schneiden kann. Wenn ich meinen Job als Kellner richtig mache, kriege ich auch hier solch teure Produkte gut verkauft.
Bei den Weinen achte ich darauf, dass sie einzigartig sind. Bei mir kriegst du keinen Pinot Grigio sondern die Trauben, die es nicht einmal im KaDeWe gibt. Und das honorieren die Gäste auch.
Wie kalkulierst du?
Alles unterschiedlich. Du musst aufpassen,weil einige Gäste heutzutage die Einkaufspreise live im Restaurant googlen und du dich dann rechtfertigen musst, dass du den Wein nicht für den gleichen Preis weiterverkaufst, weil du noch Personalkosten, Energie und alles andere bezahlen musst. Ich finde so etwas geschäftsschädigend, aber das ist wahrscheinlich der Lauf der Zeit.
Ich achte darauf, dass ich einen Wein, der mich im Einkauf 6 Euro kostet mal 4 rechne, um auf den Verkaufspreis zu kommen. Wenn ich einen Wein habe, der mich schon im EK 40 Euro kostet, dann kalkuliere ich den mit dem Faktor 2, weil er sonst mein Preisgefüge sprengt.
Sind die Gäste grundsätzlich anspruchsvoller geworden in den letzten Jahren?
Sehr. Ich muss mich darauf auch einstellen. Wir haben früher viel mehr mit vorgegarten Zutaten gearbeitet. Das geht heute nicht mehr. Ich muss immer a la minute arbeiten, weil sonst die Qualität nicht stimmt.
Dazu kommt, dass alles teurer geworden ist: Strom, Lebensmittel, Mitarbeiter. Ich aber kaum höhere Verkaufspreise verlangen kann, weil ich mich sonst aus dem Markt katapultiere.
Ich muss mehr Umsatz über Getränke machen, weil ich beim Essen so eine geringe Marge habe.
Wenn ich Profi wäre was Whiskey oder Bier angeht, würde ich mich auch da breiter aufstellen und Spezialitäten auf dem Gebiet verkaufen.
Was stört dich, was würdest du gern ändern?
Es kann ermüdend sein, wenn Mitarbeiter nur zur Arbeit kommen, um Geld zu verdienen. Ich versuche meine Läden mit viel Herzblut voranzutreiben und wenn du Leute im Team hast, die da nicht voll mitziehen, kostet das einfach sehr viel Kraft. Vielleicht ist das das Los und die Aufgabe eines Chefs, immer wieder einen neuen Anlauf zu unternehmen, um seine Mitarbeiter zu motivieren. Ich habe in der Hinsicht schon viel ausprobiert und festgestellt, das mehr Gehalt nicht gleich mehr Motivation oder bessere Arbeit heißt.
Uns sind als Chefs auch ein wenig die Hände gebunden. Wenn ich zu viel fordere, ist die Wechselbereitschaft eines Mitarbeiters recht hoch. Es besteht ein großer Bedarf an guten Mitarbeitern in Berlin und wenn es einem Mitarbeiter hier nicht mehr gefällt, empfängt ihn ein Arbeitgeber um die Ecke mit ausgebreiteten Armen. Bis ich dann wieder jemanden adäquaten finde, kann es Monate dauern.
Lieber Pasquale, für deine Pläne wünsche ich dir viel Erfolg.
Grischa
Photos: Grischa Puls/hotelneudenken.com
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